Die Chinesen
Die Chinesen
Die „ELISABETH SCHULTE“ war in weltweiter Trampfahrt unterwegs. Sie lag mit ca. 16000 t Weizen aus Neuseeland zum Löschen in Penang. Die nächste Reise sollte nach Shanghai gehen. Man schrieb das Jahr 1976, China war im politischen Umbruch. Von „Rickmers – Kollegen“, die ja ständiger Gast in China waren, erfuhren wir, dass dort strengste Kontrollen durchgeführt wurden. Man musste mit erheblichen Schwierigkeiten rechnen, wenn irgendetwas nicht in Ordnung war. Wir wollten das natürlich nicht riskieren und checkten alles durch. Die Besatzung wurde z. B. angewiesen die beliebten Weltkarten, die in den meisten Kammern hingen, so zu ändern, das nicht einfach nur „China“ darauf stand, sondern der Schriftzug ergänzt wurde in „Peoples Republic of China“. Bei der Kontrolle der Musterrolle stellten wir fest, dass drei Besatzungsmitglieder,die während der, nun schon 8 Monate dauernden, Reise abgelöst worden waren, nicht abgemustert waren, also laut Papier noch an Bord waren. „Das gibt Probleme“ war unsere Einschätzung. Also wurde der Funker losgeschickt, nach Penang, zum Konsulat, um die Abmusterung der drei durchzuführen. Er kam unverrichteter Dinge zurück. Angeblich war keiner der dort beschäftigten Beamten befugt oder befähigt, die Abmusterungen mit Dienstsiegel (wichtig) vorzunehmen. Was nun? Kapitän Pluschke wies den Funker an nach Kuala Lumpur zu fliegen und in der deutschen Botschaft die Abmusterungen vornehmen zu lassen. Nach drei Tagen war der Funker wieder da, ohne Abmusterung. Der Ärmste musste sich einiges anhören, obwohl ihn keine Schuld traf. Auch hier war angeblich niemand Willens und in der Lage die Abmusterungen durchzuführen. So langsam wurde guter Rat teuer. Wer weiß was uns in China blühte, wenn die Musterrolle nicht in Ordnung war. Die Schilderungen der „Rickmers – Fahrer“ hatten uns schon Respekt, vor dem was uns dort geschehen konnte, eingeflößt. Jetzt nahm Kapitän Pluschke die Sache selbst in die Hand. „Heiko, dau mi eben ´n Buddel Veerkant“ lautete seine Anweisung an den 2. Offizier Heiko Ortmann, der die Kantine unter sich hatte. Was hatte der Alte vor? Der klemmte sich die „Buddel Veerkant“ (Johnnie Walker) und die Musterrolle unter den Arm und marschierte zum königlich dänischen Konsulat in Port Klang. Nach vier Stunden kam er, nicht ganz nüchtern, zurück, und legte eine, mit königlich dänischen Dienstsiegeln abgestempelte, Musterrolle auf den Tisch. „So, nun wöhln wie mal eben kieken, wat se (die Chinesen) dortau seggen!“ „Wenn dat man gaudgeiht“. War unsere Reaktion.
Es ging gut. Die chinesischen Behörden akzeptierten die mit „falschen“ Siegeln versehene Musterrolle ohne Beanstandungen. Wahrscheinlich lagert in den Archiven des Seemannsamtes Bremen das einzige deutsche Dokument, welches mit den Dienstsiegeln einer „befreundeten“ Nation versehen ist.
© Peter Nauschütt